GW999m - Ein Wolf zieht im Oberallgäu seine Runden
Statt Angst vor dem Raubtier zu verbreiten, befürwortet die Kreischefin transparente Information. Vor der Forderung der Entnahme von Wölfen müssen zudem rechtliche Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Voraussetzungen geschaffen werden.
GW999m – so lautete die offizielle Bezeichnung des derzeit einzigen standorttreuen Wolfes, der sich zumindest zeitweise im Oberallgäu aufhalten soll. GW999m scheint sich seit längerem ausschließlich an Wild-Kost zu halten - ein erwünschtes Verhalten. Offenbar hat das männliche Tier gelernt, mit wildlebenden Beutetieren in seinem Streifgebiet über die Runden zu kommen.
Und dennoch: Die Angst und Sorge vor der Ausbreitung des Wolfes geht auch und vor allem unter Landwirten im Oberallgäu um. Das bewies die Resonanz auf den Vortrag des Schweizer Biologen und Naturschützers Marcel Züger am Donnerstag in der Fiskina in Fischen.
Vor allem Schafe seien es, erklärte Züger in diesem Rahmen, die in der Schweiz dem Wolf zum Opfer fielen. Von diesen eher kleinen Beutetieren, erklärt Agnes Hussek, Wildtierökologin am Landratsamt Oberallgäu, gebe es in unserer Region vergleichsweise wenige. Das allein sei aber kein Grund zum Aufatmen: „Der Wolf ist Opportunist. Wenn ihm die einfach zu greifende Nahrung ausgeht, kann er durchaus auch über Zäune springen und Rinder greifen. Auch ein Wolf will nicht hungrig schlafen gehen.“
Noch profitiert das Oberallgäu mit seinem einsamen Wolf von der weitestgehenden Abwesenheit der Raubtiere: Im Kanton Graubünden, über das Züger berichtete, gibt es aktuell elf Wolfsrudel und zwei Paare. Dort setzt man inzwischen vermehrt auf Herdenschutzhunde, um die Raubtiere zu vertreiben. Das sei aber kein Konzept für das Oberallgäu, so Hussek weiter: „In unserer touristisch geprägten Region würden die Tiere auch Wanderer verbellen – oder schlimmeres. Zudem stellt sich die Frage, was mit den Tieren im Winter passiert. Einen Herdenschutzhund kann man nicht so einfach in die Familie integrieren.“
Die Frage nach einer praktikablen Lösung steht deshalb im Raum. „Der Alpenraum mit seiner kulturell wertvollen Alpwirtschaft gehört nicht zu den Regionen in Deutschland, wo Wolfsrudel konfliktarm leben können“, so die Wildtierökologin. Mit Blick auf die sich ausbreitende Wolfspopulation prognostiziert sie: „Jagdliche Entnahmen werden in Zukunft nötig sein.“
Hier aber ist der Landkreis an Bundes- und Europarecht gebunden. Nach wie vor genießt der Wolf einen hohen Schutzstatus. Gleichzeitig stehen der weiteren Ausbreitung der Population die Interessen von Landwirtschaft und Biodiversität entgegen, zumal die Alpwirtschaft eine große Artenvielfalt ermöglicht und auch seltene Arten fördert.
Diese Gemengelage im Blick konstatiert die Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller: „Der Wolf kann artenschutzrechtlich nicht die heilige Kuh sein. Natürlich soll er seinen Platz in unserer Natur finden. Dieser Schutz darf aber nicht 100 Prozent der Fläche umfassen.“
Bevor deshalb ein Wolf im Oberallgäu geschossen werden kann, erwartet die Landrätin zweierlei Vorarbeit: „Wenn wir den Wolf wollen – und nichts anderes kann ich aus der gegenwärtigen EU-Rechtssprechung herauslesen – müssen wir jene mitnehmen, die die Konsequenzen am meisten zu tragen haben. Das sind die Landwirte. Und: Die Jäger, die den Wolf letztlich bejagen dürfen und sollen, dürfen keine Sanktionen von Tierschützern fürchten müssen.“
Es sei vor diesem Hintergrund im Hinblick auf die kleinbäuerliche Struktur im Oberallgäu zuvorderst geboten, in den Wolfschutz neben dem betrieblichen Aufwand auch die personellen Kapazitäten der jeweiligen Betriebe zu berücksichtigen, um versicherungstechnische Ansprüche zu bewerten. Darüber hinaus müssten Informationen transparent transportiert werden, um auch jene mitzunehmen, die den Wolf über die Maßen bedroht sehen. Nur so, so die Landrätin, könne ein Miteinander von Wolf und Mensch eine Zukunft haben: „Ohne pragmatisches Wolfsmanagement kommen wir alle nicht weiter.“
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