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Typisches Habitat des Thymian-Ameisenbläuling in den angrenzenden Viehweiden laut den Biologen
(Bildquelle: Marcel Züger)
 
Oberallgäu - Oberstdorf
Dienstag, 25. Juli 2023

Skandal im Rappenalptal: Biologen werfen BUND Dreistigkeit vor

Das Rappenalptal kommt nicht zur Ruhe. Baumaßnahmen hatten dort im Herbst vergangenen Jahres einen Aufschrei ausgelöst – inmitten des Naturschutzgebietes sei der Lebensraum einiger Tierarten unwiederbringlich verloren gegangen, so lautete nur einer der Vorwürfe. Vergangene Woche haben sich der Landkreis und die Alpgenossenschaft vor Gericht auf einen Vergleich geeinigt. In den Augen zweier Biologen sind die Zerstörungen jedoch gar nicht so groß. Sie sprechen sogar von einem „herbeigeredeten Umweltskandal“.

Der Rappenalpbach bei Oberstdorf wurde im vergangenen Herbst durch eine Alpgenossenschaft nach einem Unwetter begradigt. Die Arbeiten im höchstgeschützten Naturschutzgebiet führten zu einem Skandal. Der Bund Naturschutz klagte gegen die Arbeiten.

Hintergründe über die Arbeiten am Rappenalpbach gibt es unter anderem hier und hier.

Ein großes Artensterben sei durch die Arbeiten am Rappenalpbach ausgelöst worden, so der Vorwurf von Naturschutzorganisationen. Einen Vorwurf, den zwei Biologen nun entkräftigen (wir berichteten bereits hier )

Nun haben die beiden Biologen eine Pressemitteilung veröffentlicht. Sie werfen dem Bund Naturschutz „Dreistigkeit“ vor und reden von einem „herbeigeredeten Umweltskandal“.

Laut Pressemitteilung haben sich die beiden seit Januar dieses Jahres intensiv mit dem Rappenalpbach in Oberstdorf und den dortigen Baggerarbeiten auseinandergesetzt. „Wir sind bestürzt über die Dreistigkeit des Bund Naturschutz Bayern. Die Argumentation stützt sich auf offenkundig fehlerhafte Angaben, und zeigt ein mangelndes Verständnis der natürlichen Prozesse eines dynamischen Wildbachs. Mittels groß angelegter Medienkampagne wurden Entscheide herbeigeführt, die der naturhaften Entwicklung des Bachs zuwiderlaufen“, schreiben Prof. Dr. Bernd Gerken und Marcel Züger in ihrer Pressemitteilung.

Demnach habe der BUND einige Arten genannt, die geschädigt wurden – Gerken und Züger widersprechen diesen Vorwürfen. Sie beziehen sich auf die Lebensraumansprüche und artspezifische Verbreitungskarten aus Bayern und eigenen Erhebungen vor Ort.

Demnach hätten etliche der angeführten Arten wie Muscheln, Krebse und Fische, im betreffenden Gebiet vor den Unterhaltsmaßnahmen keine Vorkommen, weil hier ihre Lebensraumansprüche nicht erfüllt seien. Für weitere Arten gebe es in den offiziellen Datenbanken und Verbreitungskarten keine Hinweise auf Vorkommen am Rappenalpbach. Prominent sei verschiedentlich der Idas-Bläuling genannt worden - die aktuelle offizielle Verbreitungskarte weise im Rappenalptal weder ein rezentes noch ein früheres Vorkommen aus. Der Idas-Bläuling kommt laut Gerken und Züger erst wieder nahe Oberstdorf vor. Ebenso gebe es keine Datenbankeinträge von Flussuferläuferbruten und Türkis Dornschrecke.

Zwei vom BUND genannte Arten seien tatsächlich aus dem Rappenalptal bekannt: Thymian-Ameisenbläuling und Rotflügelige Schnarrschrecke. „Beide sind sehr selten, sie sind aber nicht Bewohner eines so geschiebereichen Wildbachs, sondern leben in den angrenzenden Trockenweiden und können nicht geschädigt worden sein. In diesen Trockenweiden leben noch weitere teils stark gefährdete Tagfalter und Wildbienen.“ Die Bedeutung des Rappenalptals als deutschlandweiter Biodiversitätshotspot komme ganz wesentlich durch diese Trockenweiden zustande, die extensiv genutzt und vorbildlich gepflegt würden.

Weiter schreiben die beiden Biologen, dass Steinfliegen und andere Wasserinsekten mit starken Hochwassern und ergo auch solchen Maßnahmen klar kämen; die Unterhaltsmaßnahme geschah sinnvollerweise direkt nach einem Starkereignis im August 2022. Alpensalamander, Geflecktes Knabenkraut und andere leben nicht im Gewässerbett und können im Spätherbst nicht geschädigt worden sein, heißt es weiter in der Pressemeldung.

Auch die vorgenommenen Arbeiten seien durchaus sinnvoll gewesen, schreiben die beiden Biologen weiter. Das Geschiebe sei sinnhafterweise nicht aus dem Gewässer abtransportiert, sondern seitlich lose aufgeschüttet worden. Im Laufe der nächsten Hochwasser werde es ab- und weitergetragen. Das Bachbett habe sich seit letztem Herbst bereits auf die zwei bis dreifache Breite vergrößert, naturhafte Strukturen wie Verzweigungen, Inseln, sandige Anlandungen, Flachwasserbereiche und ein reiches Strömungsmuster seien bereits entstanden und würden mit den nächsten Hochwassern weiter zunehmen und sich laufend verändern. Die beiden widersprechen der Aussage des Bund Naturschutzes, die Aufschüttungen seien zu stark verdichtet, als dass der Bach das Geschiebe mitführen könnte. „Das ist offenkundig falsch. Auf der ganzen Gerinnelänge sind Abbruchkanten vorhanden (Juli 2023) und die aktive Geschiebeaufnahme erkennbar.“

Dass der Gewässerlauf Rappenalpbaches auch in den Vorjahren zeitweise versiegt ist, sei auf Luftbildern von vor den Unterhaltsmaßnahmen zu sehen, so die Pressemitteilung weiter. Auch in vergangenen Jahren sei der Bach im oberen Bereich, nahe der Schwarzen Hütte, ein kräftiger Bach gewesen, während in weiter unten liegenden Gebieten nur noch ein schmaler Wasserlauf zu sehen sei auf den Luftaufnahmen. Gerken und Züger sprechen hier sogar von einem „Qualitätsmerkmal für Naturnähe“ des Wildflusses. Der Rappenalpbach habe ein natürlicherweise lockeres, schotterreiches Bachbett. Eine verdichtete, undurchlässige Bachsohle würde auf eine anthropogene Beeinträchtigung schließen lassen.

Vielmehr, so die Biologen weiter, könne bei solchen Gewässern zwischen dem oberflächlichen und dem unterirdischen Abfluss nicht scharf getrennt werden. Viele Kleinlebewesen nutzten dieses sogenannte Interstitial als Lebensraum, auch wenn oberirdisch kein Abfluss zu sehen sei. Dort sind sie vor hohen Temperaturen und erhöhten Strömungsgeschwindigkeiten nach Starkregen geschützt.

Bei den zur Sanierung vorgesehenen Arbeiten fürchten Gerken und Züger, dass erst durch diese Maßnahmen die bestehenden Vorkommen tatsächlich gefährdet seien. Die Baggerarbeiten vom letzten Herbst könnten als Teil des vorangegangenen stärkeren Hochwassers betrachtet werden. Bachbewohner könnten mit solchen Ereignissen umgehen, eine Schädigung sei nicht ersichtlich. „Nach einem Hochwasser ist der Bach natürlicherweise zunächst oberflächlich weitgehend ausgeräumt, und es findet eine Wiederbesiedlung aus dem Schotterkörper (Interstitial) und aus angrenzenden Bachabschnitten statt. Die «Zerstörung» ist ein der Gewässernatur 3 innewohnender, unverzichtbarer Prozess, und sie ist gleichzeitig eine Verjüngung. Ein neuerlicher, als Sanierung verstandener Eingriff ist mit Sicherheit nicht nötig, mutmaßlich sogar schädigend. Denn zum einen folgen in der Natur nur selten Extremereignisse direkt aufeinander, zum anderen ist der Bach nun eine eigentliche Kinderstube“, so die Biologen. „Wir konnten uns überzeugen, dass in Wasser und Alluvionen reichliches Leben Einzug gehalten hat (Begehungen im Mai, Juni und Juli 2023); insbesondere Stein- und Eintagsfliegen sowie andere im Wasser lebende Kleintiere sowie Laufkäfer und Wildbienen sind in großer Menge im und am ganzen Bachlauf zu finden.“

Als Basis für weitere Arbeiten sei ein Gewässerentwicklungsplan unabdingbar; auch im Sinne einer FFH-Verträglichkeitsprüfung. Eine korrekte Planung und Folgenabschätzung sei auch für Ämter und Behörden vorgeschrieben. Dabei solle das Augenmerk nicht nur dem Bach, sondern auch dem Erhalt der angrenzenden und obliegenden vielfältigen Trockenweiden gelten. Dort lebten einige nach FFH-Richtlinie und Bundesnaturschutzgesetz geschützte und streng geschützte Arten, die zwingend zu erhalten seien; z.B. Thymian-Ameisenbläuling und Schwarzer Apollo.

Hier der Link zu einem Video 

 


Tags:
allgäu skandal umwelt


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