Widerstand der Landwirte auch im Allgäu
Über ein Jahrzehnt nach den massiven bundes- und europaweiten Protesten der
Milchbäuerinnen und -bauern hat sich in der Landwirtschaft wieder eine große
Bewegung formiert. Diesmal gehen alle Sektoren der Landwirtschaft gemeinsam
auf die Straße. Für viele Bäuerinnen und Bauern haben die im Agrarpaket der
deutschen Bundesregierung vorgesehenen Verschärfungen des Ordnungsrechts für Insekten- und Klimaschutz das Fass zum Überlaufen gebracht.
„Auch wenn die Forderung nach fairen Preisen von den Organisatoren der Demo nicht erwünscht war, machen sich ganz viele Landwirte doch auch deshalb auf den Weg, um für eine wirtschaftlich nachhaltige Zukunft ihrer Betriebe zu demonstrieren – das haben viele Diskussionen im Vorfeld des heutigen Aktionstags gezeigt“, erklärt BDM-Vorsitzender Stefan Mann.
„Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter BDM sieht die Notwendigkeit
deutlicher Veränderungen, diese müssen aber umsetzbar sein und vor allem
müssen sie von uns auch finanziert werden können. Wir verlieren uns in immer
detaillierteren Vorschriften und Auflagen, die für uns einen erheblichen
Aufwand bedeuten und die nicht nur zu einem weiter steigenden Kostendruck
führen, sondern zum Teil auch Zielkonflikte hervorrufen. Es wird Zeit, dass
wir grundsätzlicher denken und vorgehen. Ein „Weiter so“ darf es nicht
geben. Wir müssen an der Ursache der Probleme ansetzen. Wir müssen wegkommen
von einer Agrarmarktpolitik, die in der Hauptsache dazu dient, die
Ernährungsindustrie über die Versorgung mit billigen Rohstoffen
international wettbewerbsfähig zu machen“, so Mann weiter.
Der daraus folgende Kostendruck hat in der Landwirtschaft zu einem
Effizienz- und Intensivierungsdruck sowie zu einer immer stärkeren
Konzentration geführt, deren negative Folgen man nun versucht mit
Ordnungsrecht abzumildern.
„Vergleichbar ist dieses Vorgehen mit einem Arzt, der seinen Patienten nur
mit Schmerzmitteln versorgt statt die Schmerzursache zu behandeln“,
kritisiert Stefan Mann. „Mit immer weiter verschärften Auflagen und höheren
Produktionsstandards allein lassen sich die Probleme nicht wirklich lösen.
Sie verschärfen den Kostendruck der Landwirte und erhöhen den Effizienzdruck
weiter. Diesen Teufelskreis, der bereits zum Ausstieg tausender Betriebe
geführt hat, müssen wir durchbrechen. Wir brauchen Erlöse für unsere
Produkte, die es uns ermöglichen, unsere Betriebe wirtschaftlich nachhaltig
weiterzuentwickeln und mit denen wir die notwendigen Veränderungen in Bezug
auf Umwelt-, Klima-, Naturschutz und Tierwohlstandards leisten können.“
Von Bundesagrarministerin Julia Klöckner erwarten wir, dass sie sich in
Berlin und Brüssel sofort für ein Umsteuern in der Agrarmarktpolitik
einsetzt. Die Gemeinsame Marktordnung der EU muss für eine Verbesserung der
Marktstellung der Bäuerinnen und Bauern ausgestaltet werden. Dazu gehört
auch, die wettbewerbsschädliche Marktübermacht der Abnehmer unserer Produkte
einzudämmen, um Preise für unsere Produkte erzielen zu können, die ihrer
hohen Wertigkeit entsprechen. Freihandelsabkommen wie das Mercosur-Abkommen
dürfen nicht unterzeichnet werden, solange sie Anforderungen und Standards
unterlaufen, die für die europäischen und deutschen Landwirte gelten.
Ein nachhaltiges Einkommen der Landwirte lässt nicht nur den Landwirten mehr
Spielraum für Leistungen im Bereich von Umwelt-, Klimaschutz und Tierwohl.
Auch die Politik erhält mehr Freiraum für die Gestaltung der Zukunft:
Agrargelder, die nicht mehr vorrangig zur Einkommensstützung benötigt
werden, können zielgerichtet für die Erreichung wichtiger gesellschaftlicher
Ziele eingesetzt werden ohne dabei gleichzeitig die Existenz von Betrieben
zu gefährden. „Solange dieses Umsteuern nicht eingeleitet wird und umgesetzt
ist, werden die Landwirte sich gegen Verschärfungen der Produktionsauflagen
durch Ordnungsrecht wehren oder – noch schlimmer – aufgeben“, erklärt Stefan
Mann.
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