Bereits Anfang März, noch vor dem sprunghaften Anstieg der Coronavirus-Fallzahlen in Deutschland, ging jedes zweite Mitgliedsunternehmen der IHK Schwaben von sinkenden Umsätzen aus. „Die Ergebnisse unserer Umfrage müssen wir gut eine Woche später nach oben korrigieren, auf wahrscheinlich über 90 Prozent“, stellt Dr. Marc Lucassen, Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben, beim Pressegespräch fest. Mit weitreichenden Folgen. Dr. Lucassen: „Die Wirtschaft wird 2020 schrumpfen“, so seine Prognose.
Am 16. März hat Ministerpräsident Dr. Markus Söder für Bayern den Katastrophenfall erklärt, verbunden mit weitreichenden Einschränkungen für das öffentliche und wirtschaftliche Leben. „Trotz der damit verbundenen Mehrbelastungen für unsere schon vorher schwächelnde Wirtschaft, sind die Maßnahmen zur verlangsamten Ausbreitung des Coronavirus richtig, denn: die Gesundheit steht an erster Stelle. Zugleich ist der Staat aber auch gefordert, die Wirtschaft zu stützen. Kein Unternehmen darf insolvent, kein Arbeitsplatz wegen des Coronavirus verloren gehen“, formuliert Dr. Lucassen das Ziel.
Die gesamte Wirtschaft ist betroffen
Während das Coronavirus zu Beginn des Jahres hauptsächlich eine schlechte Nachricht für die rund 500 in China aktiven Unternehmen der Region war, hat sich die unmittelbare Betroffenheit über den südlichen Nachbarn Italien zunehmend in die Region verlagert. Die starke Internationalisierung der bayerisch-schwäbischen Wirtschaft hat sich hier als Katalysator erwiesen. In den Allgäuer Alpen stehen Hotelzimmer leer, Reisebüros werden mit Stornierungen überhäuft und in den Produktionshallen geht der Nachschub an Rohstoffen und Vorprodukten zur Neige. Dr. Lucassen: „Diese drei früh betroffenen Branchen haben nun leider Zuwachs bekommen. Lokale bleiben leer, Ladengeschäfte müssen schließen, Lastwagen warten an den Grenzen. Zudem stehe viele Freischaffende und Selbständige, beispielsweise aus der Kultur- und Kreativszene, vielfach ohne Aufträge dar. Die gesamte Wirtschaft leidet nun unter den wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus.“
Betriebliche Hilfe zur Selbsthilfe hat ihre Grenzen
Bereits zu Monatsbeginn hatten acht von zehn Unternehmen konkrete Maßnahmen zum Schutz ihrer Mitarbeiter und ihrer Geschäfte ergriffen, lautet ein weiteres Umfrageergebnis. Hygieneartikel wurden angeschafft, Reisen verschoben, der Kundenkontakt beispielsweise auf Messen abgesagt. Gleichzeitig wurde die innerbetriebliche Kommunikation erhöht und über andere Formen der Zusammenarbeit nachgedacht. Beginnend vom Homeoffice über den Aufbau von negativen Arbeitszeitkonten bis hin zur räumlichen Trennung der Belegschaft. „Gerade für die von den Kita- und Schulschließungen betroffenen Mitarbeiter brauchen die Unternehmen größtmögliche Flexibilität und Handlungsspielräume, wohl wissend, dass für viele Unternehmen die Hilfe zur Selbsthilfe trotz aller innerbetrieblichen Solidarität ihre Grenzen hat“, stellt Dr. Lucassen fest.
Mehr Liquidität, weniger Bürokratie: der Staat muss einspringen
Die Nachfrage bricht in vielen Branchen ein, die Kosten laufen weiter. Besonders kleine und mittlere Unternehmen – quer über alle Branchen hinweg – sind davon betroffen. „Die Liquiditätsdecke ist bei manchen Unternehmen recht dünn“, stellt Dr. Lucassen fest. Daher begrüßt die IHK Schwaben die nun beschlossenen Maßnahmen zur Stärkung der betrieblichen Kapitalausstattung. Zuschüsse, Kredite und Bürgschaften helfen dabei ebenso, wie die zeitweise und zinslose Stundung von Steuern. Auch die Reaktivierung des Kurzarbeitergelds zu verbesserten Bedingungen ist der richtige Schritt. Dr. Lucassen: „Nun geht es darum, dass die Anträge einfach gestaltet, schnell bearbeitet und entschieden und das Geld zügig ausbezahlt wird. Der Kurs stimmt, jetzt kommt es auf die Geschwindigkeit an.“
Bilden. Bündeln. Beraten. Hohe Nachfrage nach Informationen und Beratung
„Bei uns stehen seit Ende letzter Woche die Telefone nicht mehr still“, berichtet Dr. Lucassen aus dem IHK-Tagesgeschäft des Servicecentrums und den Experten im IHK-Beratungszentrum Recht und Betriebswirtschaft sowie im Geschäftsfeld International. Sehr breit ist dabei die Palette der gesellten Fragen, beginnend von globalen Lieferketten über Finanzierungshilfen bis hin zur Frage, wann welches Geschäft nicht mehr öffnen darf. Dr. Lucassen abschließend: „Die Menschen stehen zusammen, über institutionelle Grenzen hinaus und innerhalb der Betriebe. Die nächsten Wochen und Monate werden nicht einfach werden, doch die Voraussetzungen auch diese Krise zu meistern sind da.“