DAV nominiert Bad Hindelang für Bergsteigerdorf
Der Bad Hindelanger Ortsteil Hinterstein erfüllt die Voraussetzungen für das Siegel „Bergsteigerdorf“. „Bergsteigerdörfer“ sind ursprünglich eine Marke des Österreichischen Alpenvereins für nachhaltigen Tourismus in Alpentälern. Die positive Entscheidung traf jetzt das Präsidium des Deutschen Alpenvereins (DAV), teilt der DAV in einer Presseerklärung mit.
Für das im Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen gelegene Paradies für Kletterer und Wanderer ist das ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Auszeichnung, die Hinterstein seit zwei Jahren anstrebt. Seit jeher besteht jeglicher Entwicklungsgedanke auf der Identität und der gelebten Tradition als Bergdorf. So ist Hinterstein bekannt für sein „Ökomodell“, einen Schulterschluss zwischen Alp- und Berglandwirtschaft, Naturschutz und Tourismus.
Allerdings spricht sich der DAV in seiner Presseerklärung auch für die Aberkennung des Siegels in dem Falle aus, sollte es zum Bau der geplanten Wasserkraftanlage „Älpele“ im Hintersteiner Tal kommen. Der Bad Hindelanger Bürgermeister Adalbert Martin kann das nicht nachvollziehen: „An die vorliegende Planung wurden höchst mögliche Maßstäbe betreffend der Lage und Naturverträglichkeit gestellt. So wird die Schlucht ´Eisenbreche´ großräumig umfahren. Gutachten belegen, dass keine Schutzgüter allein schon wegen der hohen Restwassermenge gefährdet sind.“
Wasserkraft hat in Bad Hindelang seit jeher eine positive Tradition. Als aktuellstes Beispiel dient die Stromversorgung von insgesamt neun Hütten und Alpen, die das vom 1813 Meter hoch gelegenen Schrecksee gespeiste Wasserkraftwerk „Auele“ realisiert.
Mit dem Verzicht auf Dieselaggregate werden im Naturschutzgebiet ´Allgäuer Hochalpen´ damit 64000 Liter Diesel pro Jahr eingespart und somit rund 173000 Kilogramm CO2 weniger benötigt. Unter anderem mit dem Bau des geplanten Bürgerkraftwerks „Älpele“ strebt die Gemeinde bis 2030 die Klimaneutralität und die Unabhängigkeit von der Stromversorgung an.
„Das geplante Wasserkraftwerk 'Älpele' wäre der gelungene Lückenschluss einer ökologisch sinnvollen Energieerzeugung aus Erneuerbaren Energien. Die zusätzliche Wasserkraft würde die Ökobilanz Bad Hindelangs um einen Faktor von etwa 4,5 Millionen Kubikmeter CO2 pro Jahr verbessern. Damit könnten wir rein rechnerisch 2700 Haushalte mit Strom versorgen oder etwa 800 Heißluftballons füllen. Dies passt hervorragend zur Entwicklung als ´Bergsteigerdorf´ und wäre eine positive Abrundung unseres Ökomodells“, sagt Bürgermeister Adalbert Martin.
Für Martin steht fest, dass „Hinterstein besonders geeignet ist für das Prädikat Bergsteigerdorf“. Dass der DAV die mögliche Auszeichnung in Frage stellt, sollte ein weiteres Wasserkraftwerk gebaut werden, kann er nicht verstehen: „Im Kern betrifft das Vorhaben die Abwägung zwischen den Belangen des Naturschutzes und den Belangen einer dezentralen Energieproduktion im Sinne der Energiewende. Unser Dilemma besteht doch darin, dass es für diese Abwägung derzeit keine eindeutigen gesellschaftspolitischen Leitlinien gibt.“ Dem Bürgermeister zufolge sind die äußeren Rahmenbedingungen des geplanten Bürgerkraftwerks nämlich so, „dass nach detaillierter Abwägung der Bau an dieser Stelle vertretbar ist und die Schutzgüter im Naturschutzgebiet 'Allgäuer Hochalpen' nicht gefährdet sind.“ Zumal die geplante Wasserkraftanlage „schon allein wegen seiner deutlich abgesetzten Lage vom Ortsteil Hinterstein nicht mit dem Vorhaben Bergsteigerdorf in Verbindung gebracht werden kann“, wie Bürgermeister Martin anmerkt.
Dass Energiegewinnung aus Wasser und Naturschutz kein Widerspruch sind und eine sinnvolle Nutzung realisierbar ist, zeige nach Angaben des Bad Hindelanger Bürgermeisters das Wasserkraftwerk, das der DAV in demselben Naturschutzgebiet seinerzeit in der Nähe des Prinz-Luitpold-Hause errichtet hat. Martin: „Die Entscheidung, Erneuerbare Energien in diesem hochsensiblen Bereich durch Wasserkraft anstelle eines Dieselaggregates zu fördern, hat sich als sehr positiv herausgestellt. Der damalige Eingriff ist heute zudem kaum mehr sichtbar.“
Über das Ökomodell Hindelang-Hinterstein
Hinterstein gilt als Paradebeispiel für nachhaltige Tourismusentwicklung im Alpenraum und wurde bundesweit vor allem durch sein „Ökomodell Hindelang“ bekannt. Mit dem Ökomodell Hindelang, das seinen Ursprung in Hinterstein hatte, gelang es Älplern, Bergbauern und Hirten vor 30 Jahren die strengen ökologischen Kriterien der hochalpinen Alpwirtschaft sinnvoll in die Berglandwirtschaft übertragen. Seither pflegen und hegen sie die Kulturlandschaft, betreiben gemeindeweit großflächigen Naturschutz und prägen somit die Identität des Ostrachtales.
Die Anzahl der Bergbauernbetriebe ist seither nahezu stabil geblieben, ein drohender Kulturlandschaftswandel wurde verhindert. Die landschaftliche Ursprünglichkeit mit ihren typischen Buckelwiesen, farbenprächtigen Pflanzenteppichen und klaren Bächen wurde flächendeckend erhalten. Damit ist Hinterstein inklusive der Direktvermarktung der Produkte ein einmaliges Beispiel für kleinräumige Wirtschaftskreisläufe.
Ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem sich die Gemeinde Bad Hindelang derzeit für die Aufnahme in das nationale Verzeichnis des „Immateriellen Kulturerbes“ bewirbt, das auf Basis eines UNESCO-Abkommens aus dem Jahre 2003 basiert. In die Bayerische Liste wurde Bad Hindelang bereits aufgenommen.
„Unsere Angebote betreffend Tourismus und Mobilität sowie unsere Landschafts- sowie Flächennutzungspläne und Energiekonzepte orientieren sich an den traditionellen Vorgaben“, sagt der Bad Hindelanger Bürgermeister Adalbert Martin.
Bad Hindelang hat seine Ökobilanz in den vergangenen Jahren stetig verbessert. „Zum Beispiel haben wir Dank unserer sanften Mobilität im Rahmen der Service-Gästekarte 'Bad Hindelang PLUS' die Zahlen im Öffentlichen Personen-Nahverkehr ÖPNV innerhalb der vergangenen fünf Jahre mehr als verdoppelt“, so der Bad Hindelanger Tourismusdirektor Max Hillmeier.
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