Deutschkurs im BRK Gulielminetti Haus Kaufbeuren
Zweimal in der Woche schlug Lehrerin Mirsada Jukic von der Adolf-Kolping-Akademie das Deutschbuch an einem ungewöhnlichen Ort auf. Sie saß in der Bibliothek im BRK Gulielminetti Seniorenheim in Marktoberdorf und erwartete ihre Schüler. Elf Mitarbeiter der Senioreneinrichtung kamen wöchentlich vor oder nach der Schicht einmal für vier und einmal für sechs Unterrichtsstunden zu ihr. Kursziel war eigentlich, die Abschlussprüfung für das B2-Sprachzertifikat am Ende des Schuljahrs im Juli abzulegen. „Doch im Moment steht hinter diesem Zeitplan ein Fragezeichen, denn der Unterricht ist aufgrund der Corona-Krise bis auf Weiteres eingestellt“, erklärt Constanze Heppner, stellvertretende Leitung der Adolf-Kolping-Akademie in Kaufbeuren.
Die elf erwachsenen Sprachschüler kümmern sich genauso wie die anderen Arbeitskollegen im Gulielminetti mit höchster Konzentration um ihre verantwortungsvollen Pflegeaufgaben. Die Arbeits- und Hygieneabläufe sowie die pandemiebedingten weiteren Anforderungen müssen exakt eingehalten werden. „Da die Bewohner keinen Besuch mehr von außen bekommen dürfen, ist mehr denn je ein zusätzliches Gespräch unserer Mitarbeiter oder ein bisschen mehr an Zuwendung für viele Senioren psychische Nahrung“, so Einrichtungsleitung Renate Dauner. Sie ist sehr dankbar für das, was ihre Mitarbeiter auch unter diesen außerordentlichen Bedingungen tagtäglich leisten. „Wir freuen uns sehr über die Gesten der Hilfsbereitschaft und die vielen guten Wünsche, die wir, das Personal und die Bewohner, aus der Bevölkerung erfahren“, sagt Dauner. Kinder vom Peter-Dörfler-Kindergarten in Marktoberdorf bastelten Küken. Privatleute gaben selbstgenähte Häschen und Grußkarten für die Bewohner am Hauseingang ab. All dies nehme ein bisschen das Gefühl des abgeschnitten seins von der Außenwelt und werde im Gulielminetti Hoffnung und Zuversicht über die Ostertage hinaus ausstrahlen, ist sich die Einrichtungsleiterin sicher. Im Augenblick ist allen Beteiligten klar, der Deutschkurs muss warten. Dabei hatte sich jeder der erwachsenen Schüler im letzten Herbst freiwillig angemeldet. Sie wollten in ihrer Freizeit und in Teilzeitunterricht das nächsthöhere Sprachniveau erreichen. Denn als Pflegemitarbeiter haben alle die Erfahrung gemacht, dass sie es in der Praxis mit vielen Fachbegriffen zu tun haben, schriftliche Dokumentationen vorzunehmen sind und Gespräche mit Bewohnern und Arbeitskollegen verstanden sein wollen. „Die Sprachschüler vertiefen in dem auf das Gulielminetti Haus zugeschnittenen B2-Kurs ihre pflegespezifischen Deutschkenntnisse“, erklärt Jukic. Sie ist Germanistin und vom Bundesamt für Migration als Lehrkraft zugelassen. „Diese Menschen wollen sich noch mehr integrieren und haben erkannt, dass es im Berufsalltag für ihre soziale Kompetenz sehr wichtig ist, die Sprachkenntnisse zu verfeinern.“ Die Teilnehmer kommen aus den verschiedensten Herkunftsländern wie Kroatien, Russland oder Mombasa. Es eint sie ihr fester Wille, diese Möglichkeit zu nutzen, ihr Deutsch zu vertiefen. „Ich war vorher in der Volkshochschule, aber mir waren eineinhalb Unterrichtsstunden in der Woche zu wenig“, sagt Stanka aus Bosnien-Herzegowina. „Wenn ich die Sprache kann, habe ich alle Möglichkeiten, mich im Beruf weiterzubilden“, ergänzt sie. „Wir wollen den Kurs fortsetzen, sobald wieder Normalität herrscht", kündigen Dauner und Heppner an. „Wie schon in den zurückliegenden Monaten werden wir auch dann bei der Dienstplangestaltung Rücksicht auf die Schulzeiten der Teilnehmer nehmen“, erklärt Pflegedienstleiter Daniel Kahl. Neben der Unterstützung des Arbeitgebers stellt sich die Frage, wie es jeder Einzelne trotz Arbeit und Familie bewältigt, zusätzlich Deutsch zu lernen? Die Antwort sei eigentlich ganz einfach, meint Milka, die 2014 aus Kroatien nach Deutschland kam: „Wenn man Lust dazu hat, dann schafft man alles!“ Diese Haltung spürte auch Lehrerin Jukic in den zurückliegenden Monaten. Sie ist stolz auf ihre motivierten Teilnehmer und bestätigt, dass sie schon große Fortschritte gemacht hätten. Und ergänzt mit einem Lächeln, „die Älteren sogar noch mehr als die Jungen.“ „Ein schöner Ansporn für die Zeit nach Corona“, findet Dauner, die stolz auf ihre motivierten Mitarbeiter ist. Die Kolping-Akademie Kaufbeuren bietet regelmäßig berufsbezogene Sprachförderkurse an. Sie bauen unmittelbar auf den Deutsch-Integrationskursen auf, wo die Vermittlung der deutschen Alltagssprache im Mittelpunkt steht. Die berufsspezifischen Sprachförderkurse werden auf Antrag und bei Erfüllung vorgegebener Kriterien vom Bundesamt für Migration (BAMF) seit 2016 finanziert. Die Teilnehmerzahl liegt bei mindestens 7 - 20 Personen.
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