BDM kritisiert Einstellung des EU-Agrarrat
Die Herausforderungen, vor denen die europäische Landwirtschaft angesichts der Corona-Pandemie, der Anforderungen des Klimaschutzes, außenpolitischer Unwägbarkeiten, verstärkter Tierwohldebatten und zunehmender Wetterextreme stehen, sind immens.
Mit der Coronakrise wurde noch einmal die Systemrelevanz der Landwirtschaft deutlich. Doch statt dies als Chance zu begreifen, die bisherige Agrarpolitik tiefgreifender neu zu gestalten und entsprechend auch die Agrarmarktpolitik grundlegend neu auszurichten, beschränkt sich die aktuelle Diskussion im EU-Agrarrat unter Leitung von Bundesministerin Julia Klöckner weitgehend auf Budgetfragen.
Damit wird ein „Weiter so wie bisher – mit ein paar Schönheitskorrekturen“ faktisch manifestiert.
„Ignoriert wird, was die seit Monaten anhaltenden Bauernproteste eigentlich zum Ausdruck bringen“, kritisiert BDM-Vorsitzender Stefan Mann. „Die Bauernproteste sind ein Indikator dafür, dass man die Landwirtschaft bereits mit der aktuellen Agrarmarktpolitik wirtschaftlich ans Limit geführt hat. Ein Großteil der Landwirte wehrt sich, weil sie schon jetzt mit dem Rücken zur Wand stehen. Jetzt werden noch Anforderungen oben drauf gepackt, ist aber nicht bereit, die Agrarmarktpolitik so zu gestalten, dass die Marktposition der Landwirte verbessert wird und sie ein angemessenes Einkommen über den Verkauf ihrer Produkte am Markt erreichen können. Eine Anpassungsfähigkeit der Landwirte setzt Einkommen voraus! Wer aber den wachsenden Fremdkapitalanteil, Substanzverlust und Investitionsstau insbesondere der tierhaltenden Betriebe sieht, muss eigentlich erkennen, dass eine Politik, die sich auf die Ausgabe von Fördergeldern beschränkt, in dieser Situation keine echte Politikgestaltung zulässt.“
Wieder einmal wird eine Chance vertan, den Interessen der Landwirtschaft stärkeres Gewicht zu geben gegenüber denen der Ernährungsindustrie, die von der Versorgung mit billigen Rohstoffen am meisten profitieren.
„Die aktuelle Marktausrichtung auf die Interessen der Ernährungsindustrie und die Steigerung ihrer weltweiten Wettbewerbsfähigkeit bleiben erklärtes Ziel der EU-Agrarpolitik – gleichzeitig versucht man, den Verbraucher im Inland zu einem moralisch-ethischen Verhalten an der Ladentheke zu erziehen, das dem ökonomischen Prinzip widerspricht, bei ausreichendem Angebot und annähernd gleicher Qualität die Kaufentscheidung nach dem besten Preis zu treffen. Das ist so widersinnig und aussichtslos, dass es einem die Sprache verschlägt“, betont Stefan Mann.
Wenn wir Landwirte uns marktwirtschaftlich ausrichten sollen und wenn wir unser Einkommen im Wesentlichen über uns Produkt erwirtschaften wollen, müssen wir auf EU-Ebene darin politisch unterstützt werden. In unserer BDM-Sektorstrategie 2030 für den Milchmarkt haben wir die dafür wichtigsten Punkte beschrieben, die in ähnlicher Form auch auf alle anderen Sektoren der Landwirtschaft übertragen werden könnten:
1. Die Weiterentwicklung und Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik GAP 2020 in Verbindung mit der Gemeinsamen Marktordnung GMO: Um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, müssen die Zielvorgaben für die Landwirtschaft mindestens auf europäischer Ebene einheitlich definiert sein. Die Ausrichtung der europäischen Agrarpolitik auf weltweite Wettbewerbsfähigkeit über Billigpreise muss überdacht werden.
2. Ein effizientes Krisenmanagement, mit dem Marktkrisen mit immensen Wertschöpfungs- und Substanzverlusten für die landwirtschaftlichen Betriebe effizient begegnet werden kann: Nur Agrarmärkte, die einigermaßen ausgeglichen sind, lassen mindestens kostendeckende Preise zu - eine absolute Grundvoraussetzung für eine tiergerechte, umwelt- und klimafreundliche Landwirtschaft. Wenn Kosten über den Markt nicht gedeckt werden können, wird die Landwirtschaft an ihre Leistungsgrenzen getrieben mit negativen Folgen für Mensch, Tier und Umwelt.
3. Eine deutliche Verbesserung der Marktstellung der Landwirte: Es gilt auf EU-Ebene eine Branchenorganisation für jeden landwirtschaftlichen Sektor als eigenständige Branche anzuerkennen, also z.B. eine Branchenorganisation Milchviehhaltung. Bisher ist das nicht möglich, da immer mindestens zwei Akteure der Wertschöpfungskette Teilnehmer einer nach EU-Recht zulässigen Branchenorganisation sein müssen. Angesichts der Übermacht von wenigen Oligopolen auf Handels- und Industrieseite und einer immer stärker konzentrierten verarbeitenden Industrie müssen die Landwirte für jeden Sektor eine zentrale Plattform haben, die ihre Marktposition stärkt.
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