Kulturquartier Allgäuhalle: Unterstützer gründen Verein
Nachdem man sich nach dem Lockdown endlich wieder treffen konnte, haben Kulturfreund*innen und Künstler*innen im Juli einen Verein gegründet, um das Konzept für ein Kulturquartier Allgäuhalle weiter voranzubringen und ebenso die Interessen der freien Kulturszene in Kempten und dem Allgäu zu bündeln.
Wer dies als Mitglied unterstützen will, muss leider noch etwas warten. „Es ist längst an der Zeit, nach all der guten Konzeptentwicklung, nach all den Bedarfsanalysen und vielen Gesprächen sowie nach der Petition Ende 2020 mit über 2.600 Unterschriften nun auch ein Schiff in See stechen zu lassen – also sich zu organisieren und die Stimmen der Kulturschaffenden und der Unterstützer*innen in der Region zu bündeln“, sagt Stephan A. Schmidt, frischgebackener Vorsitzender des im Juli neu gegründeten Kulturquartier Allgäu e.V. Eigentlich hatte man die Gründung schon Anfang des Jahres anvisiert, doch dann kam der Lockdown mit seinen Kontaktbeschränkungen.
„Nun aber haben die richtigen zusammengefunden: Wir sind im Vorstand wirklich breit aufgestellt – von Street Culture über bildende Kunst, Theater, Musik, Veranstaltern bis hin zum wichtigen Thema Inklusion“, freut sich die zweite Vorsitzende Mandy Montalbano, die gleichzeitig 1. Vorstand des Theaterförderverein Stupor Mundi e.V. („Ensemble ...gegenSatz“) ist. „Auch sonst spricht die Mischung für sich. Der Vorstand ist zwischen 28 und 56 Jahre alt, mit vier zu drei Stimmen weiblich und besteht aus Profis wie passionierten Amateuren.“ „Der Name ‚Kulturquartier Allgäu e.V.‘ ist bewusst gewählt“, erklärt Schmidt. „Ein Quartier ist nicht nur ein Stadtviertel, sondern ebenso eine Unterkunft, ja eine Heimat. Und das Allgäu muss mehr denn je, insbesondere nach den Schäden durch Corona, endlich eine Heimat für seine Künstler*innen, für eine kreative Szene werden, denn sonst sind die weg – vor allem der Nachwuchs. Und da bietet sich nebst all der dringend notwendigen Lobbyarbeit ganz real und als einmalige Chance ein großes Rettungsschiff an: Das 2022 freiwerdende Areal um die Allgäuhalle in Kempten.
Hier geht es heute um die grundlegende Entscheidung, endlich eine innenstadtnahe Fläche nicht wieder kommerziell, sondern kulturell zu nutzen. Und das für lebende Künstler, für eine freie Szene, für alle Bürger*innen mit niedrigschwelligen wie möglichst kommerzfreien Angeboten ganztags und für einen freien Zugang zur Kunst jeder Art, egal ob passiv oder aktiv für jeden Menschen. Zudem muss hier die Geschichte dieses Ortes besser behandelt werden.“ Im Vorstand des Vereins finden sich bekannte Namen wie Tankut Uensal, Musikexperte und als TenGood bekannter DJ, Andreas Schütz, Profimusiker u.a. mit Pianistixx und Veranstaltungsmanager für den Klecks e.V., Brit Doleschal, Vorstandsmitglied beim Rollsportverein „Trockenschwimmer“, Pia Wirth, die sich in verschiedenen Organisationen für Gleichberechtigung und gegen Faschismus engagiert und gleichzeitig erfahrene Geschäftsführerin ist, sowie Sophia Wirth, die hauptberuflich in und für Inklusionsprojekte arbeitet und sich ebenso in Organisationen wie ihre Schwester Pia engagiert.
Mit Schmidt an der Spitze hat der Verein einen in Kultur-, Vereins- und Öffentlichkeitsarbeit erfahrenen Macher gefunden: Er ist nicht nur selbst Künstler, sondern seit über zwölf Jahren Vorsitzender des Kunstund Künstlervereins artig e.V., der die Galerie Kunstreich in der Kemptener Altstadt betreibt. Zudem war er 2012 Mitbegründer sowie stellvertretender Vorsitzender des Künstlerhaus e.V. und hier vor allem in der politischen Kommunikation verantwortlich für die Erhaltung des „Künstlers“. Der gebürtige Oberfranke lebt seit über 22 Jahren in Kempten und ist in der Oberallgäuer Kulturszene gut und vor allem spartenübergreifend vernetzt, zumal er nicht nur Künstler, sondern auch Veranstalter ist und z.B. in den 90ern eine eigene Konzertagentur führte. Auf die Frage, wie Schmidt zwei Vorsitzenden-Ämter unter einen Hut bringen will, sagt er nur: „Ich habe in meinem Freundeskreis alleinerziehende und selbständige Mütter mit drei Kindern – da werde ich als derzeit Alleinstehender ohne Kinder mein Leben plus zwei Vereine wohl auch auf die Reihe kriegen.
Zudem führt einfach kein Weg daran vorbei, diese einmalige Chance auf dem Areal der Allgäuhalle zu ergreifen und die potentielle Kommerzialisierung einer idealen Fläche für ein lebendiges Kulturleben im Oberallgäu zu verhindern. Hier, an diesem Ort, geht es um alles oder nichts!“ Mit Thomas Wirth, Initiator des Kulturquartiers Allgauhalle (KQA) sowie Immobilienentwickler und Veranstalter, will der der Verein eng zusammenarbeiten, zumal insbesondere Schmidt und Schütz seit einiger Zeit in die Planungen involviert sind und sagen: „Sein Konzept ist unser Konzept – und umgekehrt.“ Derzeit arbeite man zusammen an einem kleineren, alternativen Einstiegs- und Startkonzept im Gebäudebestand, da die Zeit und die Not der Kultur dränge. Tankut Uensal, Schriftführer im Verein, bittet derweil alle, die Mitglied werden und das Projekt Allgäuhalle unterstützen wollen, um Geduld für etwas Bürokratie: „Die Eintragung des Vereins durch das Registergericht wird noch ein paar Wochen dauern. Dann erst können wir bei der Bundesbank die notwendige Gläubiger-ID holen und Euch die Mitgliedanträge vorlegen.“
Wie viele Mitglieder man sich erhofft – auf diese Frage antwortet Schatzmeisterin Pia Wirth idealistisch: „Jede und jeder im Oberallgäu und in Kempten, die entweder Kunst schaffen oder Kultur wie Subkultur und eine freie Szene hören, sehen und spüren wollen. Denn mit dem KQA kann Kempten schon auch der kulturelle Prenzlauer Berg des Allgäus werden.“ Oder wie es Andreas Schütz sagt: „Meine Heimat und Zuhause und die meiner Musikerfreunde wäre ein Kulturquartier Allgäu. Also eine Unterkunft, die wir nicht mehr verlassen wollen oder müssen. Denn mit Braunvieh und ein paar hübschen Bergen allein werden wir mit anderen Regionen nicht mehr groß konkurrieren können – weder für Touristen von außen, noch für Kulturschaffende von hier, von denen sich etliche durch die Corona-Auswirkungen längst umorientieren. Mit dem Kulturquartier aber könnten wir den Exodus stoppen.“ (PM)
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