Oberallgäuer und Kaufbeurer Bäckerhandwerke stehen vor Krise
Bäckereien im Landkreis Oberallgäu und Kaufbeuren suchen Azubis – oft vergeblich. Noch immer registriert die Arbeitsagentur offene Lehrstellen im Bäcker-Handwerk. Die Zahl der Auszubildenden in der Branche ist in den letzten zehn Jahren sogar um zwei Drittel zurückgegangen. Mittlerweile klagen auch die bayerischen Berufsschulen über immer weniger Azubis und mehr Abbrecher bei den Bäckern. Der Grund: Die bereits jetzt harten Arbeitsbedingungen in der Branche sollen sich weiter verschlechtern – wenn es nach dem Willen der Arbeitgeber geht. Darauf hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hingewiesen.
Und es könnte bald zu einer noch größeren „Nachwuchs-Krise“ im Bäcker-Handwerk kommen, warnt die NGG Allgäu. Denn nachdem die Arbeitgeber – der Landes-Innungsverband des bayerischen Bäcker-Handwerks – den aktuellen Tarifvertrag für die Branche gekündigt haben, wollen sie drastische Einschnitte durchsetzen: weniger Urlaubstage, mehr Sonntagsarbeit, die Streichung des Urlaubsgelds. „Damit wird der Job als Geselle oder Verkäuferin in Bäckereien immer unattraktiver. Wie will man so noch Azubis finden?“, fragt Claudia Weixler von der NGG Allgäu. Die Arbeitgeber seien dabei, die Zukunft des Bäcker-Handwerks aufs Spiel zu setzen.
„Die rund 630 Bäcker und Verkäuferinnen im Kreis Oberallgäu und die 160 in Kaufbeuren machen einen harten Job. Sie arbeiten, wenn andere schlafen – oft mitten in der Nacht oder am Feiertag“, sagt die NGG-Geschäftsführerin. Es sei daher ein Unding, den Beschäftigten jetzt auch noch das Urlaubsgeld zu nehmen. Die Arbeitgeber wollten zudem durchsetzen, dass Heiligabend und Silvester für die Bäckerei-Beschäftigten keine besonderen Tage sind: Die tariflichen Sonderbezahlungen sollten drastisch zurückzufahren werden, so die NGG. Dabei gelte die Branche vielen schon jetzt als „rote Laterne“ unter den Handwerksberufen. „Mehrere bayerische Berufsschulen haben sich jetzt deshalb bei der Landes-Innung beschwert. Sie fordern, die Verschlechterungen zurückzunehmen“, berichtet Weixler.
In bislang zwei Verhandlungsrunden hätten die Arbeitgeber weiter „auf stur geschaltet“, so der Gewerkschafter. Man wolle den Beschäftigten im Landkreis Oberallgäu einen regelrechten „Horror-Katalog“ verordnen. „Die Arbeitgeber setzten sogar noch eins drauf“, sagt Weixler. Zum Beispiel beim Urlaub: Bisher gab es den vollen Urlaub von sechs Wochen nach vier Jahren Betriebszugehörigkeit. Die Landes-Innung wollte jedoch partout 13 Jahre durchsetzen, so die Gewerkschaft. Claudia Weixler: „Als wir auf der alten Regelung beharrten, erhöhten die Arbeitgeber sogar dreist auf 15 Jahre Wartezeit für den vollen Urlaub. Da war klar: Das ist keine Verhandlungsgrundlage, sondern eine Provokation. Welcher Tarifpartner verhält sich denn so, wenn er wirklich einen neuen Vertrag will? So mussten wir die Verhandlungen abbrechen.“
Auch für Mustafa Öz, Verhandlungsführer der NGG Bayern, ist klar: „Mit weiteren Einschnitten sägen die Arbeitgeber an dem Ast, auf dem sie sitzen.“ Mittlerweile zweifle man daran, ob der Landes-Innungsverband überhaupt noch an einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag interessiert sei. Wenn der jedoch nicht zustande komme, sagt Öz, dann werde es bald keinen Nachwuchs in der Bäckerbranche mehr geben. Und es werde zu einem „Preiskampf nach unten“ kommen: ein Wettbewerb um die niedrigsten Löhne und Produktionskosten, der gerade kleineren Betrieben die Existenzgrundlage rauben könnte.
„Schon jetzt müssen wir feststellen, dass trotz geltender Tarifverträge Bäckereien keine sechs Wochen Urlaub gewähren. Viele Chefs zahlen auch nicht den Arbeitgeberanteil von 380 Euro im Jahr in die Altersvorsorge ein oder verweigern das Urlaubsgeld. Oft werden selbst gelernte Fachkräfte mit 8,50 Euro pro Stunde abgespeist“, beklagt Mustafa Öz.
Die NGG fordert den Landes-Innungsverband nun dazu auf, mit vernünftigen Vorschlägen an den Verhandlungstisch zurückzukehren. 48.000 Beschäftigte in ganz Bayern bräuchten dringend einen neuen, fairen Tarifvertrag. Bis dahin empfiehlt die NGG den Beschäftigten, keine Änderungsverträge zu unterschreiben. Das könne eine Falle sein, warnt Öz. Denn der bisherige Manteltarifvertrag bietet noch einen Bestandsschutz. Jetzt will die Gewerkschaft zusammen mit den Bäckerei-Beschäftigten Druck machen für eine neue Verhandlungsrunde.
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